Westdeutsche Zeitung: Welche Ideenüberleben das Sommerloch? = von Martin Vogler

Einst tauchte stets im August das Ungeheuer
Nessie aus dem dunklen Wasser seines schottischen Sees auf.
Ersatzweise schickten Marsmännchen ein Lebenszeichen. Dann wussten
wir, das Sommerloch ist da. Heute gibt es zwar immer noch
Spekulationen über Leben auf fremden Planeten, doch jetzt besetzen
eher Politiker das Sommerloch. Sie tun das geschickt, indem sie mit
teils absurden Wortmeldungen auf sich aufmerksam machen. Der Ruf nach
dem unabhängigen Staat Bayern gehört dazu, aber auch Mindestrente
oder diverse andere Ideen sind derzeit nicht frei vom
Sommerloch-Verdacht. Wenn das Ehegattensplitting gleich aus sehr
unterschiedlichen Richtungen – etwa von SPD-Chef Sigmar Gabriel und
CDU-NRW-Landeschef Armin Laschet – attackiert wird, könnte die
Debatte über den Sommer hinaus tragen. Zumal neben der Forderung in
Sachen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften am Wochenende das
sogenannte Familiensplitting seine Renaissance erlebte. Diese Idee
fasziniert viele, weil sie ein sehr hohes Maß an Gerechtigkeit
verspricht. Denn beim bisherigen Ehegattensplitting erfolgt die
Besteuerung so, als würden beide Partner exakt gleich viel verdienen.
Davon profitieren wegen der Progression vor allem Paare, bei denen
nur einer arbeitet oder die Einkommen unterschiedlich hoch sind. Beim
Familiensplitting hingegen zählte in der Extrem-Form sogar jedes
Familienmitglied steuerlich voll. Die meisten großen Haushalte würden
dann wohl gar nichts mehr ans Finanzamt zahlen. Doch so gerecht die
Idee klingt, steckt sie – abgesehen von der Frage der
Finanzierbarkeit angesichts leerer Staatskassen – voller Tücken. Man
kann nicht ausblenden, dass Familien bereits heute durch Kindergeld,
Kinderfreibetrag, Elterngeld oder kostenlose Mitversicherung bei
gesetzlichen Krankenkassen stark gefördert werden. Außerdem dürfte
die Grenzziehung, bis zu welchem Alter oder bis zu welcher
Lebenssituation der Nachwuchs steuerlich segensreich ist, eine Rolle
spielen. Es ist spannend, wie intensiv das Thema im Herbst diskutiert
wird. Doch spätestens die Erkenntnis, dass von einem
Familiensplitting vor allem Besserverdiener profitieren, dürfte die
Debatte versiegen lassen.

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