Westdeutsche Zeitung: Weniger Staat – dafür aber effektiver = von Wolfgang Radau

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass das
Zusammenspiel der deutschen Verfassungsschutzbehörden neu justiert
werden muss – das Land Thüringen hat ihn am vergangenen Dienstag
erbracht. Da tagte in Berlin der Parlamentarische Kontrollausschuss
des Bundestages, und im Mittelpunkt des Interesses stand die Frage,
was die Verfassungsschützer über die „Zwickauer Terrorzelle“ wussten.
Thüringens Verfassungsschutz glänzte durch Abwesenheit und begründete
das damit, das Land sei nicht verpflichtet, an dieser Bundes-Sitzung
teilzunehmen. Der Vorstoß von Justizministerin
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mit dem Ziel, aus 16 Landesämtern
drei oder vier zu machen, trifft einen Kern des Problems. Jedes
Bundesland setzt, mit Eifer bis hin zu Übereifer, seine „Schlapphüte“
ein. Die haben, das sei zugegeben, ihre lokale und regionale
Kompetenz. Aber irgendwo müssen die Erkenntnisse koordiniert und
ausgetauscht werden. Terrorismus kennt keine Landesgrenzen. Die
Reaktionen aus den Ländern lassen erahnen, wieviel Widerstand zu
erwarten ist. Jeder möchte seine eigenen Spione rekrutieren, bezahlen
und abschöpfen. Als Totschlagargument werden gern „monatelange
Strukturdebatten“ ins Feld geführt, wie sie NRW-Innenminister Ralf
Jäger (SPD) befürchtet. Jäger lehnt auch eine Verbunddatei der
Sicherheitsbehörden ab. Das klingt nach „Weiter so wie bisher“, was
die Neonazi-Szene ebenso wie potenzielle Terroristen auf der linken
und auf der fundamental-islamischen Seite freuen dürfte. Der Vorstoß
von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist noch aus einem anderen
Grunde bemerkenswert. Seit Monaten dümpelt die FDP in den Niederungen
der politischen Schnellschüsse herum, verspottet als Klientelpartei,
verortet unterhalb der Fünf-Prozent-Marke. Den einstigen liberalen
Markenkern – Schutz der verfassungsmäßig garantierten Bürger- und
Freiheitsrechte – hielten zuletzt vor allem die alten Kämpen Gerhart
Baum und Burkhard Hirsch hoch – unbequem und unbestechlich. Frau
Leutheusser-Schnarrenbergers Idee von „Weniger Staat, dafür aber
effektiver“ in der aktuellen Krise kann zu einem starken
Lebenszeichen der Freien Demokraten werden – wenn sie denn konsequent
verfolgt wird.

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