Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Israels Gaza-Offensive

Israel verfolgt bei militärischen Vorstößen
selten eine Strategie. Das Ziel seines Handelns ist immer
naheliegend. Das war 1967 beim Sechs-Tage-Krieg so und ist in Gaza
heute nicht anders.

Israel will mit allen Mitteln verhindern, dass seine Bevölkerung
weiterhin dauerhaft unter dem Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen
leiden muss. Das Problem will die Regierung kurzfristig gelöst
wissen. Deswegen soll die Hamas samt ihrer Milizen, Waffendepots und
Tunnel für mindestens zwei Jahre nachhaltig geschwächt werden. Dass
dabei die Verhältnismäßigkeit meistens auf der Strecke bleibt, nimmt
Israel ebenso in Kauf wie internationale Reaktionen und die Folgen
seiner Intervention. Mittelfristig könnten die Konsequenzen in Gaza
brisant sein. Nämlich dann, wenn eine wehrlose Hamas im Gaza-Streifen
ein Machtvakuum anböte – das die Dschihadisten der Gruppe
»Islamischer Staat« (IS, ehemals Isis) füllen könnten.
Sicherheitskreise in Jerusalem und Kairo sind überzeugt, dass sich
IS-Kämpfer bereits in Gaza aufhalten und einige der jüngsten
Raketenbeschüsse auf ihr Konto gehen.

Ohne den inneren Druck aus seiner Koalition – von
Nationalreligiösen und Siedlern – hätte Ministerpräsident Benjamin
Netanjahu nicht zwingend eine Bodenoffensive befohlen. Der Premier
will die Hamas nicht für immer zerschlagen. Denn alles, was nach der
Hamas käme, wäre viel weniger kalkulierbar.

1,8 Millionen Menschen leben im Gaza-Streifen unter schlimmen
Bedingungen, sie sind Geiseln und menschliche Schutzschilde der Hamas
und ihrer Kampftruppen. Aus eigener Kraft können sich die Menschen
nicht von dem islamistischen Regime befreien. Die Lage scheint auf
absehbare Zeit aussichtslos.

Anders lässt sich auch das Vorgehen der Hamas nicht mehr erklären.
In der arabischen Welt haben sich Syrien, Ägypten und Saudi-Arabien
vom palästinensischen Ableger der Muslimbrüder abgewandt. Aus der
Isolation heraus provoziert die Hamas eine israelische
Bodenoffensive. Das Kalkül: Viele zivile Opfer sollen für viel
Solidarität sorgen. Das ist der Teil der Propaganda. Dazu gehört auch
die Behauptung, die meisten Opfer in Gaza seien Frauen und Kinder.
Der katarische Nachrichtensender Al-Djazeera, der
Israel-Freundlichkeit völlig unverdächtig, hat dagegen Zahlen
vorgelegt, nach denen die Todesopfer der israelischen Angriffe in
Gaza zum Großteil Männer im wehrfähigen Alter sind.

Heute umfasst der Nahost-Konflikt ein größeres Gebiet als Israel,
Gaza und Westjordanland. Durch den »Islamischen Staat«, der sich in
Teilen Syriens und Iraks gebildet hat und weiter wächst, drohen
Israel ungleich größere Gefahren als von der Hamas. Nach den
Gefechten dieser Tage dürfte es in Kürze einen Waffenstillstand
geben. Wie üblich.

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Andreas Kolesch
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