Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Kuba

Nein, die Mauer fällt nicht, wenn Kuba am 14.
Januar 2013 einem vermutlich nur kleinen Teil seiner elf Millionen
Einwohner die Ausreise über das heute auch schon mögliche Maß hinaus
ermöglicht. Ganz klar: Jede kleine Erleichterung ist begrüßenswert,
weil sie den Menschen im größten karibischen Knast Vorteile bringt.
Dabei ist das Reiserecht ein Grundrecht. Es kann und darf nicht
abhängen von der Gnade selbsternannter und noch nie frei gewählter
Herrscher wie Fidel und Raùl Castro. Außerdem: Jede der bald ein
Dutzend kleineren Erleichterungen hat nichts daran geändert, dass
Kuba ein bitterarmes und ausgebeutetes Land ist und ohne
grundsätzliche Reform auch bleibt. So wurden etwa Handys und der
Besuch von Luxushotels erlaubt. Aber was nützt das, wenn sich die
Normalbürger solche Freiheiten nicht erlauben können? Auch die neue
Reisefreiheit wird für die Masse der Menschen unbezahlbar bleiben.
Von umgerechnet 20 Euro Monatseinkommen lässt sich kein Schiffs- oder
Flugticket kaufen. Schon die Beantragung eines Reisepasses kostet für
Nicht-Devisen-Besitzer ein Vermögen. De facto wird die neue
Reisefreiheit für die relativ vielen Kubaner interessant, deren
Angehörige aus dem Exil Dollar oder Euro überweisen. Deren Devisen
sind dem bankrotten System auf das Herzlichste willkommen. Denn ohne
harte Währung wären die Castros und ihre Kader längst pleite. Kurzum:
Die vorsichtige Öffnung ist nur eine weiterer wohl dosierter Versuch,
das sozialistische System vor dem Untergang zu bewahren. Nicht
vorhersehbar ist, wie die zu erwartende große Welle der
Ausreisewilligen von Castros unterbezahlten Bürokraten verkraftet und
kanalisiert wird. Lange Schlangen vor den Behördenschaltern sind
programmiert. Die davon ausgehenden Erwartungen und möglichen
Enttäuschungen werden dem Ministerium für Staatssicherheit in Havanna
schon jetzt Kopfzerbrechen bereiten. Dort ist man sich bewusst, dass
sich eine Lawine, wie sie 1989 mitten in Europa losgetreten wurde,
nicht mehr aufhalten lässt. Außerderm: Trotz drakonischer Strafen und
massivster Härte gegenüber dem aufbegehrenden Volk gelingt es dem
Regime in Havanna kaum noch, das fortwährende Aufbegehren seiner
unzufriedenen Bürger zu unterdrücken. Noch am Sonntag wurden 22
»Damen in Weiß« anlässlich des ersten Todestages ihrer Sprecherin
Laura Pollán verhaftet. Als Angehörige von politischen Häftlingen
fordern sie nichts anderes als Meinungsfreiheit. Die neue Sprecherin
der Weißen Damen, Berta Soler, glaubt deshalb auch nicht an eine Ende
der Willkür. Der Staat werde weiter streng darauf darauf achten, wer
reisen dürfe: »Man hat der Sache nur einen anderen Namen gegeben.«

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