Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Merkel, Piratenpartei und FDP

Beim Blick auf den aktuellen
ARD-»Deutschlandtrend« muss einigen Politikern angesichts der Stärke
der Piratenpartei Angst und Bange werden. Wenn am Sonntag
Bundestagswahl wäre, kämen die Piraten auf sagenhafte elf Prozent. Da
kann man nur ungläubig staunen – oder sich freuen, wie es vermutlich
Angela Merkel derzeit tut. Die Bundeskanzlerin wird den Hype, der um
die Piraten entstanden ist, wohlwollend zur Kenntnis genommen haben.
Nicht etwa aufgrund der guten Arbeit der Piraten oder ihres
Personals, sondern einzig und allein, weil ausgerechnet die
Polit-Neulinge mit dazu beitragen könnten, dass Angela Merkel auch
nach 2013 noch Kanzlerin ist. Der unglaubliche Höhenflug der Piraten
sichert Merkels Macht, weil linke Regierungsbündnisse rechnerisch
immer schwerer werden, wie die aktuelle Umfrage belegt. Rot-Grün käme
demnach auf 41 Prozent – zu wenig. Für die Regierungskoalition würden
nur 38 Prozent der Wahlberechtigten stimmen, wobei die FDP mit nur
drei Prozent allerdings nicht im Parlament vertreten wäre. Rein
rechnerisch wären also nur ein Dreierbündnis, eine schwarz-grüne
Koalition oder eine Große Koalition möglich. Da die CDU mit etwa 35
Prozent nach wie vor stärkste Partei ist und die SPD bei 27 Prozent
stagniert, bliebe Angela Merkel Bundeskanzlerin. Die CDU-Vorsitzende
kann sich aber noch aus einem anderen Grund über den Aufschwung der
Piraten freuen. Denn die neue Partei lockt frustrierte FDP-Wähler an.
Das könnte dafür sorgen, dass die FDP auch auf Bundesebene an der
Fünf-Prozent-Hürde scheitert. Merkels Ziel muss es sein, einen
Wiederaufstieg der Liberalen zu verhindern. Für die Kanzlerin hat die
FDP ohnehin keine Funktion mehr. Und wenn die Freien Demokraten ganz
aus der politischen Wahrnehmung verschwänden, wäre die CDU die
einzige bürgerliche Partei, die es in Deutschland noch gibt.
Vielleicht ist deshalb auch zu erklären, warum die Union im Hinblick
auf die Bundestagswahl 2013 wieder verstärkt die Wähler auf dem Land
und insbesondere die Familien ansprechen möchte. Im Gegensatz zu
Merkel scheint die FDP nervös auf den Aufschwung der Piraten zu
reagieren. FDP-Generalsekretär Patrick Döring kritisierte deren
Politikmodell mit den Worten: »Nur eine Mehrheit über einen Schwarm
zu organisieren, ist noch lange keine Demokratie.« Der Konter der
Piraten, in Person des Berliner Abgeordneten Christopher Lauer, ließ
nicht lange auf sich warten: »Es wird in Deutschland eine Veränderung
der politischen Landschaft geben – diese wird allerdings ohne Herrn
Döring und die FDP stattfinden.« Die Piraten und die FDP – da haben
sich offenbar zwei Parteien gefunden, die wie Streithähne aufeinander
losgehen. Das erinnert ein wenig an eine alte Bauernweisheit. Wenn
zwei sich streiten, freut sich der Dritte. In diesem Fall müsste es
jedoch heißen: die Dritte.

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