Die westliche Welt empört sich zu Recht über
Pakistan: Warum blieb El-Kaida-Chef Osama Bin Laden so lange
unentdeckt? Wussten die Behörden wirklich nichts? Das Misstrauen
gegenüber Islamabad im Kampf gegen den Terror wächst, und viele
halten das Land bereits für einen »gescheiterten Staat« mit einer
hilflosen, inkompetenten oder feindlichen Regierung. Was ist zu tun?
Die Aktion gegen Bin Laden hat die Verflechtung zwischen den
pakistanischen Geheimdiensten und den Terroristen ans Licht gebracht.
»Wir glauben, dass es ein Unterstützernetzwerk für Bin Laden in
Pakistan gegeben hat«, sagt US-Präsident Barack Obama. Doch ein
offener Bruch mit Islamabad wäre jetzt fatal: Pakistan muss
militärisch, diplomatisch und ökonomisch stabil bleiben. Zu viel
steht auf dem Spiel. Die USA und der Westen brauchen Pakistan, um die
Taliban in Afghanistan einzudämmen. Mehr als 100 000 pakistanische
Soldaten sind an der afghanischen Grenze im Einsatz. Islamabad
wiederum ist auf die Finanzhilfe aus Washington angewiesen; die USA
leisten jährlich mehr als drei Milliarden Dollar Militärhilfe.
Obendrein ist Pakistan eine Atommacht: Die Krise der
US-pakistanischen Beziehung darf nicht in offene Feindschaft
umschlagen. Der »Erzfeind« Indien ist mit den USA verbündet und fühlt
sich vom Nachbarn bedroht. Ein indisch-pakistanischer Krieg hätte
verheerende Folgen. Washington kennt die geostrategische Bedeutung
Pakistans, vermutet aber ein Doppelspiel: Islamabad bekämpft den
Terror nach außen, zugleich werden Terroristen gedeckt und gefördert.
Laut Admiral Mike Mullen, dem Vorsitzende des US-Generalstabs, trägt
und finanziert Pakistan ein militantes Netzwerk, das US-Soldaten in
Afghanistan tötet. Zwar hat Präsident Zardari soeben die
Anti-Terror-Kampagne öffentlich unterstützt, doch das Misstrauen
bleibt. Schon wollen einige US-Senatoren die gigantische Militärhilfe
einfrieren. Washington will sich nicht mehr für dumm verkaufen
lassen. US-Präsident Obama hat mehrere Optionen: Er kann die
Entflechtung von Regierung und Geheimdiensten fordern, die
Einstellung der Zahlungen androhen oder die Beziehungen abbrechen.
Das Letztere wäre ein Fehler. Somit bleibt die diplomatische Option:
Obama muss Pakistan unter Druck setzen und klare Bedingungen stellen:
Der Schutz von Terroristen wird nicht geduldet. Nach dem Rückzug des
US-Militärs aus Afghanistan bietet sich die Chance, die Beziehung mit
Pakistan strategisch neu zu definieren. Der alte Schlendrian muss
aufhören. Seit der Aktion gegen Bin Laden ist Obamas Ansehen
gestiegen. Er kann seine Außenpolitik der Diplomatie und
»ausgestreckten Hand« jetzt überzeugender durchsetzen. Er muss
Pakistan hart anfassen, die Strategie ändern und die Regierung in
Islamabad zur Umkehr zwingen. Da Pakistan die US-Hilfe braucht, ist
Obamas Ausgangslage günstig. Er muss sie zu nutzen wissen.
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Andreas Kolesch
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