Für die einen erfindet sich Peer Steinbrück
gerade neu. Der SPD-Kanzlerkandidat ist auf Vortragsreise zwischen
Dublin und Athen. Andere machen daheim den nächsten Fettnapf aus. Mit
Wahlkampf auf die amerikanische Art wird von Düsseldorf aus gerade
die Internet-Werbemaschiene angeworfen – und wieder läuft nicht alles
rund. Im Peerblog.de bloggt nicht Peer, sondern PR.
Public-Relations-Unternehmer Karl-Heinz Steinkühler betreibt das
spendenfinanzierte Sympathie-Portal. Von Steinkühlers altem Glanz als
Enthüllungsjournalist ist nichts geblieben. Anstatt sich zwei
TV-Duellen mit Steinbrück zu stellen, behauptet er, mache Angela
Merkel lieber »grinsende TV-Gipfelpolitik« und »Händeschütteln hier,
Knickschen da« – Fieses statt Fakten vom ehemaligen Focus-Redakteur.
Vier Länder in fünf Tagen sollen dem Kandidaten weltläufiges Flair
verleihen. Steinbrück kann das. Keine Frage. Er ruft die Ursachen der
Krise in Erinnerung, geißelt die Politik des billigen Geldes, die
Fixierung auf Quartalszahlen und den Deregulierungswettlauf, der
heute ganz Südeuropa knechte. Zum Politischen Aschermittwoch wird der
Kandidat im bayerischen Vilshofen und im westfälischen Schwerte in
die Niederungen der Innenpolitik zurückfinden. Der Mann mit den
früher üppigen Redehonoraren braucht den neuen Anlauf über das
Ausland, die Eurokrise, Europa und die Banken. Das tut ihm gut,
persönlich und politisch. Das poliert auch das ramponierte Image auf.
Seht her, hier steht einer, der kann auch politisches Parkett und
zwar international. Und dennoch: Es hilft alles nichts. Die
Blog-Affäre braut sich zum nächste Problemfall zusammen, weil
inzwischen die Bundestagsverwaltung dem Verdacht verdeckter
Parteispenden nachgeht. Lobbycontrol spricht von »intransparenter
Wahlkampf-Unterstützung«. Und Abgeordnetenwatch.de beschreibt, wie
einer seine Seele an Geister verkauft, die er, im Erfolgsfall,
demnächst im Kanzleramt nicht mehr los wird. Steinbrück sagt, er
wisse nicht, welche namhaften Unternehmer mehr als 100 000 Euro für
die Fan-Seiten aufbringen. Aber: Wie will soll der Blog »unabhängig«
sein, wenn keiner die Finanzierer kennt?
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Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
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