Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Röttgen

Merz, Koch, Wulff, zu Guttenberg und nun also
Norbert Röttgen. Nur drei Tage nach dem Wahldesaster der CDU in
Nordrhein-Westfalen hat die Bundeskanzlerin ihren Umweltminister
gefeuert. Das war kein Rücktritt, das war ein glatter Rausschmiss.
Die CDU verliert erneut einen ihrer besten Politiker – aber er war
nicht mehr zu retten. Zu groß war der Druck aus den eigenen Reihen.
Zu groß war der Frust nach dem Debakel in Nordrhein-Westfalen. Nicht
nur in Düsseldorf, sondern auch in Berlin. Als CSU-Chef Horst
Seehofer sich den Wahlverlierer am Montagabend im »heute-journal«
heftigst vorknöpfte und indirekt seinen Rücktritt forderte –
spätestens nach diesem Interview mit Claus Kleber war klar, dass eine
Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist. Röttgen wurde vor die Tür
gesetzt, weil er die gesamte Partei nach unten gezogen hat. Weil er
nicht hören wollte. Merkel und auch Seehofer hatten auf ihn
eingeredet, nach Düsseldorf zu gehen. Er sollte mit Haut und Haar und
nicht nur mit halbem Herzen versuchen, Ministerpräsidentin Hannelore
Kraft abzulösen. Doch Röttgen hörte nicht, obwohl man ihn gewarnt
hatte. Seine schwere Schlappe als Bundesumweltminister bei der
Kürzung der Solarförderung kam noch erschwerend hinzu. »Muttis
Klügster« wurde plötzlich als »Muttis Dümmster« verspottet. Röttgen
hat nicht nur sein Image, sondern das der gesamten Union und vor
allem das der Bundeskanzlerin nachhaltig beschädigt. Und deshalb
musste er gehen. Angela Merkel ist in die Offensive gegangen. Sie hat
kurzen Prozess gemacht. Eigentlich ist das nicht ihre Art. Erst recht
nicht in wichtigen Personalangelegenheiten. Doch wenn es um ihre
eigene Macht geht, ist die Bundeskanzlerin zu allem fähig und immer
wieder für eine Überraschung gut. Dann spricht sie ein Machtwort. Mit
der Entlassung Röttgens schlägt die Kanzlerin mehrere Fliegen mit
einer Klappe. Angela Merkel hat Norbert Röttgen geopfert, um damit
die CSU zu besänftigen. Die Kanzlerin kommt somit Horst Seehofer
entgegen, der Röttgen vor laufender Kamera rücktrittsreif gegrantelt
hatte. Obwohl sie den CSU-Chef noch immer hasst, musste Merkel so
reagieren. Auch deshalb, um bei den Themen Betreuungsgeld und
Vorratsdatenspeicherung endlich Ruhe zu bekommen. Merkels künftiger
Umweltminister Peter Altmaier ist ein ganz enger Vertrauter der
Kanzlerin. Mit ihm soll die Umsetzung der Energiewende vorangetrieben
werden. Das war mit Röttgen nicht mehr möglich. Fazit: Seehofer
zufrieden, die FDP nach ihren zwei Wahlerfolgen im siebten Himmel,
der Problem-Minister entsorgt. Und ganz nebenbei: Über Hannelore
Kraft, ihren großartigen Erfolg bei der NRW-Wahl und die trommelnde
SPD-Troika spricht seit gestern niemand mehr.

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