Nein, Russland steht nicht vor einem neuen
politischen Frühling, aber das System Putin hat am Sonntag einen
gehörigen Knacks bekommen. Ja, es gibt lupenreine Demokraten, aber
nicht oben in der Staatsführung, sondern ganz weit unten. Das sind
erstens eine ganze Reihe von kremlkritischen Bürgermeisterkandidaten,
die bei den Rathauswahlen im ganzen Lande zumindest Achtungserfolge
erzielten. Alexej Nawalny in Moskau und Jewgeni Roisman in
Jakaterinenburg, wo einst die Zaren massakriert wurden, stehen für
die neuen Volkstribune, die sich von nichts einschüchtern lassen.
Zweitens, und noch viel wichtiger, wächst die Zahl jener Wähler, die
Mut an der Urne beweisen. Bislang hatte sich die Masse der Russen
meist auf die Seite der Autoritäten geschlagen. Jegliches Aufbegehren
mussten sie in ihrer Geschichte oft genug am Ende bereuen. Das ändert
sich gerade. Angeblich hat Putin selbst den zarten Frühling bei
lokalen Abstimmungen zugelassen. Dem zunehmenden Druck sollte ein
Ablassventil geboten werden. Das hat geklappt, vorläufig.
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