Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Demjanjuk-Urteil

Ob fünf Jahre Haft oder auch 15 – für den
91-jährigen John Demjanjuk kommt die Verurteilung einem Lebenslang
gleich – wenn er die Haft überhaupt antreten muss. Das ist
allerdings mehr als fraglich, nachdem das Landgericht München gestern
den Haftbefehl gegen den verurteilten KZ-Wächter wegen dessen hohen
Alters aufgehoben hat. Dass Demjanjuk quasi als freier Mann das
Gericht verlassen durfte, kann von Hinterbliebenen der zu tausenden
ermordeten Babys, Kinder, Frauen, Männer und Greise wahrscheinlich
nur schwer nachvollzogen werden, wenn überhaupt. Dass jemand, der
wegen Beihilfe zum Mord schuldig gesprochen worden ist, bis zur
Rechtskraft des Urteils in Freiheit bleiben darf – so einen Fall muss
man lange suchen. Der körperliche Zustand Demjanjuks hätte die
Richter nicht beeindrucken dürfen. Denn immerhin gibt es
Justizkrankenhäuser, die selbst auf schwerstpflegebedürftige
Häftlinge eingestellt sind. Der Gerechtigkeit ist gestern nur auf den
ersten Blick Genüge getan worden. Demjanjuk wird wohl in Freiheit
sterben – ganz anders als seine Opfer.

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