Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Hauptstadtflughafen BER

Ursprünglich sollten die ersten Flugzeuge am 11.
November 2011 vom neuen Hauptstadtflughafen abheben. Neun Monate
später gibt es noch nicht einmal einen neuen Termin. Diese
Verzögerung kostet allein den Steuerzahler 110 Millionen Euro –
genug, damit der eine oder andere Verantwortliche den Posten räumen
sollte. Schließlich sind auch die Baukosten aus dem Ruder gelaufen
und ein Drittel höher als geplant. Trotzdem fliegt keiner. Dass
Entscheidungsträger für Fehlkalkulationen die Verantwortung
übernehmen, ist aus der Mode gekommen. Bei privaten Großinvestitionen
wäre das undenkbar. Da werden solche Fehler durch Insolvenz und
Vermögensentzug bestraft. Dabei steht der Hauptstadtflughafen nicht
allein. Noch ist unklar, wie viel die Pleite des Nürburgrings den
Staat kosten wird. Das Geld wird in jedem Fall an anderer Stelle
fehlen. Haben die Deutschen verlernt, vernünftig zu planen und
realistisch zu kalkulieren? Fast muss man es glauben. Beispiele, die
das belegen, gibt es viele. Der Bogen reicht von Autobahnen, deren
Bau länger dauert als angekündigt, über Hauptbahnhöfe, die wie
Stuttgart schon vor Baubeginn den Kostenrahmen sprengen, bis zu
Prestigeobjekten wie der Elbharmonie in Hamburg. Selbst bei der
Bauausführung gibt es öfter katastrophale Mängel. So führen etwa
Löcher in der Spundwand zu Mehrkosten und späterer Eröffnung des
Jadeweserports in Wilhelmshaven. Natürlich wachsen auch an anderen
Stellen auf dieser Erde nicht alle Türme in den Himmel – nicht
einmnal in Dubai oder Schanghai. Doch die Hiobsbotschaften aus
Deutschland häufen sich in einem Maße, dass sie den Ruf des »Made in
Germany« gefährden. Nachdem »deutsche« Waren heute großteils
andernorts gefertigte Vorprodukte einschließen und »deutsche« Autos
ebenso gut in den USA, Mexiko und sogar in China vom Band fahren, ist
die Arbeit der Ingenieure und Planer für den Standort hier noch
wichtiger geworden. Um so katastrophaler sind die Auswirkungen der
jetzigen Fehlplanungen. Ebenso schlimm wie die Außenwirkung aber ist
die Demotivation des Steuerzahlers. Hier kann sich auch die Region
nicht freisprechen. So wurde etwa beim Bau des MARTa in Herford aus
ursprünglichen 30 Millionen D-Mark fast 30 Millionen Euro. Beim
Klinikum Minden gerieten die Kosten derart aus dem Ruder, dass
anschließend ein Loch von 16,5 Millionen Euro in der Finanzierung
klaffte. Nicht zuletzt hat auch die Misere beim früheren
OWL-Vorzeige-Fußballclub Arminia Bielefeld viel mit den
Fehlkalkulationen beim Bau der neuen Tribüne zu tun. Dass es auch
anders geht, zeigen die beiden Theaterbauten in Paderborn und
Gütersloh. Dabei lag die Bauträgerschaft im einen Fall in privater
Hand. Im anderen Fall war das Interesse der Öffentlichkeit an der
Bauausführung nach einem Bürgerbegehren besonders groß. Merke:
Private Verantwortung und öffentliches Interesse haben zumindest eine
positive Wirkung.

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Andreas Kolesch
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