Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Kita-Fachkräftemangel

Kinder sind das Kapital unserer Gesellschaft.
Darin sind sich alle einig. Und warum wird damit dann so fahrlässig
umgegangen? Diese Frage kann bislang niemand beantworten. Es fehlt an
Erziehern. Prompt schlägt Bundesarbeitsministerin Ursula von der
Leyen (CDU) vor, Arbeitslose und ehemalige Schlecker-Mitarbeiterinnen
zu Kita-Fachkräften umzuschulen. Ein Schlag ins Gesicht aller
Erzieher, die sich mit Leidenschaft bei schlechter Entlohnung um die
Zukunft unserer Gesellschaft kümmern. Die Politik verfolgt einmal
mehr tagesaktuelle Interessen, anstatt langfristige Konzepte
durchzuführen. Seit dem Krippengipfel im Jahr 2007 ist bekannt, dass
es zu einem eklatanten Fachkräftemangel bei Erziehern kommen würde,
der mit den Ausbildungsjahrgängen nicht aufgefangen werden kann. Wer
nun so tut, als seien die Schwierigkeiten vom Himmel gefallen, lügt
den Bürgern ins Gesicht. Das nahende Problem wurde fahrlässig auf die
lange Bank geschoben. Seit sich Deutschland mit Siebenmeilenstiefeln
auf den Rechtsanspruch eines Kitaplatzes für unter Dreijährige
zubewegt, werden die Schnellschüsse immer unfassbarer. Der lapidare
Vorschlag, Arbeitslose in die Kitas zu schicken, ist der bisherige
Höhepunkt. Natürlich ist es grundsätzlich eine Überlegung wert,
fähige Menschen zu Erziehern umzuschulen. Doch das braucht Zeit. Mit
einem Schnellkurs kurz vor Inkrafttreten des Rechtsanspruchs ist es
nicht getan. Erzieher sind schließlich keine im Sandkasten sitzenden,
unqualifizierten Kinderfanatikerinnen, sondern hoch qualifizierte
Experten, die Kinder in einer entscheidenden Lebensphase begleiten.
Das will gelernt sein. Wie verzweifelt die Kommunen bereits sind,
zeigt die Forderung des NRW-Städtetags. Nachdem
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) Baustandards wie
Vorschriften zur Deckenhöhe oder Toilettengröße im Zuge des
U3-Ausbaus reduzieren will, schlägt der NRW-Städtetag vor, die
Gruppenstärke in Einrichtungen vorübergehend zu vergrößern. An dieser
Stelle muss Schluss sein mit der Flickschusterei. So sehr die Nöte
der Städte bei fehlenden Plätzen zu verstehen sind: Das geht zu weit.
Gerade die Gruppengröße ist entscheidend für eine qualitativ
hochwertige Betreuung. Wer so eine Forderung stellt, hat die Relevanz
frühkindlicher Bildung nicht verstanden oder missachtet sie bewusst.
Die Vorschläge zur Behebung des Fachkräftemangels passen zum
holprigen Verlauf des gesamten U3-Ausbaus. An erster Stelle steht die
Quantität – viele Plätze in kurzer Zeit. Irgendwo ganz weit weg ist
der Ruf nach Qualität nur noch als Flüstern zu hören. Doch im Eifer
des Gefechts wird er ignoriert. Es reicht nicht, dass
NRW-Familienministerin Ute Schäfer (SPD) es immer wieder betont und
Kristina Schröder in ihren Punkte-Plan schreibt »Das Kindeswohl muss
gefördert werden«, wenn es bei der Umsetzung mit Füßen getreten wird.

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261