Das hat Horst Seehofer nun davon: Da hat er
wochen- und monatelang herumkrakeelt, aber auch keine einzige
Gelegenheit zur Selbstinszenierung ausgelassen, immer und immer
wieder mit allem Möglichen bis hin zum Koalitionsbruch gedroht und
was jetzt? Jetzt nimmt ihn einfach keiner mehr ernst, obwohl er
selbst es doch ausnahmsweise einmal ernst meinen könnte. Zumindest
hätte er Grund dazu. Der bayerische Ministerpräsident und Vorsitzende
der einst so stolzen CSU steht da wie ein Taschenspieler, dem sie auf
seinen Trick gekommen sind. Die wiederholt angekündigte und gestern
beschlossene Klage gegen den Länderfinanzausgleich verfängt nicht.
Der Verdacht – vom politischen Gegner prompt erhoben – lautet auf
billiges Wahlkampfmanöver. Zu Recht? Ja und nein. Selbstverständlich
schielt Seehofer auf die Landtagswahl im Herbst 2013, wenn er und
seine CSU sich nun mit allem, was ihnen geblieben ist, für die
Interessen des Freistaates einsetzen. Ein bisschen mehr
Lokalpatriotismus an den Tag zu legen, als es der Rest der Republik
tut, hat in Bayern schließlich noch nie geschadet. Und die
Christsozialen haben es wahrlich bitter nötig, denn die Zeiten, in
denen die Partei das Patent aufs Regieren hatte, könnten bald vorbei
sein. Doch reichen schwache Umfragewerte der CSU und urbayerisches
Selbstverständnis aus, um den Gang nach Karlsruhe zu diffamieren?
Wohl kaum, denn so wenig man die Grundidee des Länderfinanzausgleichs
in Zweifel ziehen kann, so trefflich lässt sich über dessen
Ausgestaltung streiten. Darum täten die Seehofer-Kritiker gut daran,
sich den Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr
1999 noch einmal genau vor Augen zu führen. Damals war der
Länderfinanzausgleich schon einmal von Bayern beklagt worden, und die
Karlsruher Richter hatten immerhin befunden, dass die Anstrengungen
der Bundesländer stärker berücksichtigt werden müssten. Recht
gezündet hat diese Belohnungsidee in den Folgejahren nie. Das
freilich könnte Karlsruhe nun gerade dazu bewegen, hier erneut
nachzusteuern. Schließlich ist das Argument, dass immer mehr
Nehmerländer ihren Bürgern Wohltaten wie kostenlose Kindergartenjahre
und gebührenfreie Studienplätze bieten, während die immer weniger
Nehmerländer kräftig zahlen, nicht so leicht von der Hand zu weisen.
Manch einem mag angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der einige
Landesfürsten die Segnungen in Anspruch nehmen, gar der Vergleich mit
Griechenland und der Euro-Krise in den Sinn kommen. Doch das
Hauptziel des Länderfinanzausgleichs lautet »Vereinheitlichung der
Lebensverhältnisse« und nicht Besserstellung auf Kosten anderer.
Horst Seehofer mag ein Populist sein und bleiben, Bayerns Klage indes
hat einen sehr wahren Kern. Man stelle sich nur vor, sie hätte jemand
anderes vorgebracht . . .
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261