Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Nachhaltigkeitsgipfel

Die Umweltschutzkonferenz Rio 1992 hatte große
Hoffnungen geweckt: Klima-, Küsten- und Waldschutz, biologische
Vielfalt und nachhaltige Entwicklung waren nur einige Punkte auf der
damaligen Agenda. 20 Jahre später fällt die Bilanz primär negativ
aus: Die Erde wird wärmer, das Eis schmilzt, die Wälder verschwinden,
und die Tiere verenden. Jede achte Tierart ist in den letzten 20
Jahren ausgestorben. Das Klima trifft es besonders hart: Seit Rio
1992 ist der CO2-Ausstoß um 50 Prozent gestiegen. Umweltpolitisch hat
die Menschheit offensichtlich versagt. Dennoch gibt diese
Negativbilanz auch Grund zur Hoffnung: Das Interesse am Umweltschutz
wächst, neue Naturschutzgebiete entstehen, immer mehr Menschen finden
Zugang zu sauberem Trinkwasser, und auch die Nahrungsmittelversorgung
macht Fortschritte. Gäbe es die CO2-Emissionen nicht, die
Waldrodungen und Ölverschmutzungen, wäre die Erde auf akzeptablem
Kurs. Denn die Welt verabschiedet sich allmählich von den fossilen
Energiequellen, die »grüne Wirtschaft« expandiert. Investitionen in
Wind-, Solar-, Wasser- und Bioenergie steigen, Öl und Kohle verlieren
an Bedeutung. Weltweit produzieren Wind und Sonne bereits 300
Gigawatt – das entspricht der elektrischen Leistung von 50
Atomreaktoren. Ein Großteil der sauberen Anlagen wurde in den letzten
fünf Jahren geschaffen. So ist zum Beispiel die Solarenergie um 50
Prozent pro Jahr gewachsen, die Windenergie um 25 Prozent pro Jahr.
Das ist eine erstaunliche Entwicklung – besonders, da die hohen
Preise für Wind- und Sonnenenergie weltweit stark fallen. Somit wird
die Subventionierung in Deutschland demnächst überflüssig. Die
saubere Energie entfaltet sich schneller als gedacht. Die Welt blickt
dabei besonders auf Europa – auf Deutschland, Dänemark und Norwegen.
Hier setzen Atomausstieg, Windparks, Solarkraftwerke und Wasserkraft
den Trend. Doch die USA, China, Indien, Australien und Südkorea
ziehen inzwischen nach. China investiert stark in Wind- und
Solarkraft, Florida und Kalifornien mobilisieren die »grüne
Wirtschaft«, und der indische Finanzminister holt sich jährlich 500
Millionen Dollar aus einer Kohlesteuer. Wenn die Welt weiter in neue
Energien investiert, werden künftige Generationen die fossile Ära
dereinst das »schmutzige Zeitalter« nennen. Doch noch haben sich
nicht alle Politiker vom Kohlenstoff verabschiedet. Vielen fehlen
Vorstellungskraft, Mut und Wille, saubere Energie energisch zu
fördern. Somit ist Rio 2012 weitgehend gescheitert. Doch »Fortschritt
lässt sich nicht aufhalten«, sagt ein französischer Spruch.
Weitsichtige Politiker sind gefragt, die das »schmutzige Zeitalter«
konsequent beenden. Kanzlerin Merkel gehört offensichtlich nicht
dazu: Statt den Umweltsündern in Rio die Leviten zu lesen, sitzt sie
beim EM-Viertelfinale in Danzig. Das nützt vielleicht Jogis Kickern,
doch es schadet dem deutschen Image als Speerspitze der Energiewende.

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Andreas Kolesch
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