»Wer sich verteidigt, klagt sich an«, wusste
schon Maximilien de Robespierre. An der Bühne Bundesrat hätte der
Mann am Freitag seine Freude gehabt, denn auf dem Spielplan stand ein
Selbstverteidigungskurs der besonderen Art. Zur Billigung des
Rentenpaketes wurde da in großkoalitionärer Einigkeit das Hohelied
von der Gerechtigkeit gesungen.
Dabei ist das milliardenschwere Paket alles andere als gerecht. Im
Gegenteil: Es ist falsch, weil es die demographische Entwicklung
ignoriert, vermeintlich die Rente mit 67 abwickelt und so ein
verheerendes Signal für die Debatte um längere Lebensarbeitszeiten
sendet.
Es ist ungerecht, weil es bei der Rente mit 63 nur einer
Alterskohorte und da wiederum vor allem denen hilft, die diese Hilfe
gar nicht nötig haben – gut verdienenden, männlichen Facharbeitern.
Und es ist falsch finanziert, weil es die gesamtgesellschaftlich so
wertvolle Erziehungsarbeit der Mütter aus der Rentenkasse statt aus
Steuermitteln honoriert, wie es zwingend sein müsste.
Das Schlimmste aber: Das alles wissen alle. Der milliardenteure
Murks geschieht trotzdem. Gegen jede ökonomische Vernunft haben Union
(Mütterrente) und SPD (Rente mit 63) ihre Lieblingsprojekte einfach
aufaddiert. Sozialpolitik triumphiert über Wirtschaftspolitik,
Verteilen schlägt Erwirtschaften. Herausgekommen ist ein Pakt gegen
die Zukunftsfähigkeit Deutschlands.
Was es nicht besser macht: Die Große Koalition hat die
Umfrage-Mehrheiten auf ihrer Seite. Kritik am Rentenpaket wird
schnell als jugendlicher Hochmut oder gar als Undankbarkeit
diffamiert. Der Dachdecker, »der mit 64 nicht mehr auf dem First
rumklettern kann« und die 80-jährige, vierfache Mutter, »die mit
ihrer Erziehungsarbeit erst die Voraussetzungen für unseren Wohlstand
geschaffen hat«, sind Symbole für die Politik einer neuen sozialen
Gerechtigkeit geworden.
Zweifelsohne gibt es beide und zwar tausendfach. Und ja: Beide
haben das, was sie nun bekommen, voll verdient. Doch kann das nicht
die Rechtfertigung für ein derart misslungenes Gesetzespaket sein. So
muss man sich fast wünschen, dass CDU/CSU und SPD noch lange
gemeinsam regieren. Warum? Damit die Verantwortlichen die Suppe, die
sie uns da einbrocken, am Ende auch auslöffeln. Denn ihre Politik
nach Kassenlage mag in der Hochkonjunktur funktionieren. Was aber,
wenn die Wirtschaft abschwingt?
Die Prognose steht: Vielleicht schon die nächste, spätestens aber
die übernächste Bundesregierung wird den Schaden, den dieses
Rentenpaket verursacht, zu beheben haben. Bezahlen werden dann
freilich weder Arbeitsministerin Andrea Nahles noch Kanzlerin Angela
Merkel.
Bezahlen werden andere. Gewiss werden dazu alle
Rentenbeitragszahler wie auch die Rentenempfänger gehören. Die einen
in Form steigender Beiträge bei der sicheren Erwartung, später
geringere Leistungen zu bekommen, die anderen in Form dauerhaft
geringerer Rentenerhöhungen.
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Andreas Kolesch
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