Die arabischen Alleinherrscher wehren sich gegen
die Revolte ihrer Untertanen. In Libyen, Syrien, Bahrain und im Jemen
wird der »arabische Frühling« brutal niedergeschlagen. Gaddafi gibt
nicht auf, Assad lässt weiterhin massiv auf Demonstranten schießen,
der Jemen kämpft mit Panzern gegen Protestler, und selbst in Ägypten
stehen wieder Zehntausende auf dem Tahir-Platz und demonstrieren für
Freiheit und Demokratie. Der arabische Frühling droht, langsam und
hoffnungslos zu verwelken. Der Westen schaut nicht tatenlos zu, doch
seine Politik schwankt zwischen militärischem Engagement und
vorsichtiger Diplomatie. Jeder Aufstand wird einzeln behandelt. Das
ermöglicht zwar Flexibilität, wird aber auch als inkonsequent und
heuchlerisch kritisiert: Hier kämpft die Nato gegen den libyschen
Diktator Gaddafi, dort will die Bundesregierung das despotische
Regime von Saudi-Arabien aufrüsten. Nach dem deutschen Libyen-Debakel
im UN-Sicherheitsrat fühlen sich die arabischen Freiheitskämpfer
erneut verraten. Immerhin erhöht jetzt US-Präsident Obama den Druck
auf Syrien. Er wirft Assad einen »inakzeptablen Grad an Brutalität
vor«, und US-Außenministerin Clinton prognostiziert sogar den Sturz
des Diktators. Syrien wird wieder zum »Schurkenstaat«, den die USA
lange isoliert hatten. Denn Washington hat keine Wahl: Obama muss
Assads strategische Rolle im Nahost-Konflikt herunterstufen und sich
auf die Seite der Demonstranten stellen. Sollte er den syrischen
Diktator schonen, wäre sein rhetorischer Beistand für die arabische
Revolte unglaubwürdig. Auch die EU ist selbstredend weiterhin
verpflichtet, die Freiheitsbewegung tatkräftig zu unterstützen. Die
Gewalt in Syrien, Libyen und im Jemen offenbart die verzweifelte Lage
der Revolutionäre. Gute Nachricht kommt zurzeit nur aus Marokko:
König Mohammed will einen Bürgerkrieg verhindern und sein Land durch
eine Verfassungsänderung reformieren. Der marokkanische Reformprozess
wird zur Hoffnung im arabischen Frühling. Dennoch steht Marokkos
sozialer Frieden auf der Kippe: Viele Menschen halten die
angekündigte Neuordnung für unzureichend. Polizeigewalt,
Überwachungen und Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit
verschärfen die gespannte Atmosphäre. Obendrein leidet Marokko unter
Korruption, Misswirtschaft, Jugendarbeitslosigkeit, Analphabetismus
und hohen Lebensmittelpreisen. Alles kommt jetzt darauf an, ob der
König seine Macht teilen kann. Sollte er das Volk düpieren, wäre ein
Bürgerkrieg unvermeidbar. Da viele Menschen wenig zu verlieren haben,
ließen sich die Massen leicht radikalisieren. Es wird sich zeigen, ob
Mohammed ein kluger Monarch und Visionär ist oder das Volk verrät und
– wie viele arabische Potentaten – nur seinen Machterhalt sucht.
Marokkos Schicksal liegt weiterhin in der Hand seines Königs.
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Andreas Kolesch
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