Eine alte Narbe bricht auf. Die CDU ist erneut
im Begriff, in der grundsätzlichen Frage des Lebensschutzes ihre
wertkonservativen Mitglieder vor den Kopf zu stoßen. Die Frage des
Embryonenschutzes und der Selektion von möglicherweise behinderten
oder genetisch belasteten Embryonen (Präimplantationsdiagnostik –
PID) steht ins Haus und die FDP verlangt gebieterisch Antwort. Die
Liberalen wollen ein völlig neues »Reproduktionsmedizingesetz«, das
sich dadurch auszeichnen soll, dass der Schutz des ungeborenen Lebens
hinter anderen Anliegen rangiere. Dafür soll auch das
Embryonenschutzgesetz geändert werden. Eine Frage von ähnlich
grundsätzlicher Bedeutung – immerhin geht es um Leben und Tod – stand
zur Debatte, als die CDU über die embryonale Stammzellforschung
diskutierte. Damals ging, übrigens ohne Not, ein Riss durch die
Partei, als die Parteivorsitzende Angela Merkel ihrer Freundin
Annette Schavan zur Seite sprang und sich für die verbrauchende –
also tötende – Embryonenforschung aussprach, statt auf die adulte
Stammzellforschung zu setzen. Das droht sich nun zu wiederholen. Aber
wie schon Voltaire meinte, niemand hat das Privileg, sich ständig
täuschen zu dürfen. Auch Angela Merkel nicht. Diesmal kann das
Nachgeben den letzten Rest an Glaubwürdigkeit kosten. Roland Koch,
Noch-Vizechef der CDU, sieht diese Gefahr und sagt offen, er würde
solch ein Gesetz nicht mittragen. In solchen Grundsatzfragen
entscheidet sich in der Tat, ob jemand christlich-konservativ ist
oder eben nur Parteipolitiker mit einem »C« im Namen. Immerhin haben
sich die beiden mitgliederstärksten Vereinigungen innerhalb der
Partei, die Senioren-Union und die Junge Union, klar auf ein
PID-Verbot festgelegt. In einer gemeinsamen Erklärung sagen ihre
Vorsitzenden: »Experimente mit menschlichen Embryonen sowie auch die
Präimplantationsdiagnostik widersprechen unserem christlichen
Verständnis von der unveräußerlichen Würde des Menschen.« Klarer kann
die Ansage auch für die Kanzlerin nicht sein. Wenn sie hier wieder
auf ihre wissenschaftsnahe Ministerin Schavan setzt, steht sie bald
nur noch mit fremden Truppen da. Vermutlich wird sie versuchen, gar
nicht entscheiden zu müssen. Aber die Liberalen machen nicht umsonst
Druck. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und
andere C-Kritiker wollen den Grünen und der SPD das Zeichen geben:
Schaut her, in wichtigen Bereichen denken wir wie ihr. Sie wären wohl
bereit, ein entsprechendes Gesetz auch ohne die Union in den
Bundestag zu bringen. Es wäre ein Sprengsatz.
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