Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema USA und der Irak

Als der US-Präsident im Mai vor die Kadetten an
der Militärakademie von Westpoint trat, gebrauchte er ein griffiges
Bild, das Paradox amerikanischer Macht zu beschreiben. »Nur weil wir
einen Hammer besitzen, heißt das noch lange nicht, dass jedes Problem
ein Nagel ist.« Barack Obama illustrierte damit die Zurückhaltung der
USA im syrischen Bürgerkrieg. Gleichzeitig legte er die Latte für den
Einsatz von Gewalt deutlich nach oben.

Wenn »nationale Sicherheitsinteressen« auf dem Spiel stünden,
werde er allerdings nicht zögern zu handeln, versprach der Präsident.
Die Antwort der USA auf den Vormarsch der Isis-Kämpfer in Irak wird
zum Testfall der neuen Sicherheits-Doktrin Obamas. Die Einnahme der
Zwei-Millionen-Stadt Mossul brachte die Kämpfer für ein sunnitisches
Kalifat auf dem Gebiet des heutigen Syrien und Irak nicht nur ihrem
Ziel einen Schritt näher, sondern bedroht auch die Sicherheit des
Westens.

Mehr als 2000 Freiwillige aus Europa, den USA und Kanadas füllen
die Isis-Bataillone. Wenn die Erfahrung der 80-er und 90-er Jahre in
Afghanistan ein Maßstab sind, bedeutet das eine tödliche Gefahr.
Einer von neun Heimkehrern aus dem Bürgerkrieg fühlte sich motiviert,
daheim terroristische Gewalt auszuüben.

Ein hoher Mitarbeiter des Weißen Hauses meint zu den Erkenntnissen
der Geheimdienste über die Erfolgen der ISIS in Syrien und Irak:
»Angesichts dessen möchten sie sich umbringen.« Ein dramatisches, um
nicht zu sagen, vernichtendes Eingeständnis des Scheiterns einer
Intervention, die mit dem Einmarsch der USA 2003 begann.

Die Demokratisierung Iraks sollte nach den Versprechungen George
W. Bushs zum Vorbild in der Region werden. Die Dominosteine fielen in
die entgegengesetzte Richtung. Fakt bleibt, dass es zum Zeitpunkt des
amerikanischen Eingreifens weder in Irak noch später in Syrien eine
El-Kaida gab. Ihr Entstehen verdankt sie erst dem Widerstand gegen
die US-Militärpräsenz. Richtig stark machte die Extremisten dann der
sektiererische Despotismus Nuri al-Malikis, der als Regierungschef
nichts unternahm, die sunnitische Minderheit zu integrieren.

Bushs Krieg wird zu Obamas Albtraum. Er kann nicht tatenlos
zusehen, wie in Irak und Syrien ein neuer Tummelplatz für
Dschihadisten aus aller Welt entsteht. Das Pentagon verlegte einen
Flugzeugträger und Begleitschiffe in die Region. Ein sicheres
Anzeichen, dass Luftschläge gegen die ISIS-Truppen ernsthaft erwogen
werden. Umgekehrt lösen Bomben allein das Problem nicht. Deshalb
drängt Außenminister John Kerry auf einen politischen Kurswechsel in
Bagdad. Effektiver als jede Waffe wäre ein Abtreten des unfähigen
Maliki. Zusammen mit Bush trägt er die Hauptverantwortung für die
aktuelle Krise. Nur mit einer integrativen Figur an der Spitze, die
auf die Sorgen und Nöte der Sunniten eingeht, lässt sich den
Extremisten dauerhaft das Wasser abgraben.

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