Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Beschneidung

Deutschland läuft Gefahr, in der
Beschneidungsdebatte ein elementares Kinderrecht auf dem Altar der
political correctness zu opfern: die Unversehrtheit. Google findet im
Internet 355 000 Seiten, auf denen die Wörter »Beschneidung« und
»Religionsfreiheit« gemeinsam vorkommen – aber nur 41 000 Seiten mit
der Kombination »Bescheidung« und »Kinderrechte«. Das überrascht
nicht, denn Kinder haben in diesen Tagen kaum eine Lobby. Selbst der
Deutsche Kinderschutzbund ist abgetaucht – möglicherweise angesichts
der Holocaust-Keule, die von einzelnen jüdischen Funktionären
herausgeholt wurde. Der Kinderschutzbund schweigt zu einer Zeit, in
der sein Wort wichtig wäre. Ein säkularer Staat kann nicht
vorschreiben, wie die Anhänger einer Religion ihren Glauben leben.
Das kann aber nicht bedeuten, dass der Staat wegsieht, wenn Babys ein
Stück ihres Körpers abgeschnitten wird. Der Ritus ist Jahrhunderte
alt, aber darf er deshalb nicht diskutiert werden? Religionen und
Gesellschaften ändern sich. Noch 1986 erlaubte der Bundesgerichtshof
einem Vater, seinen Sohn zu züchtigen. Seit dem Jahr 2000 ist das in
Deutschland verboten. Wer sein Baby beschneiden lässt, hat ein
falsches Verständnis von Religionsfreiheit. Denn er nimmt seinem Kind
die Möglichkeit, sich später selbst für eine Religion zu entscheiden.
Trotzdem wird der Vorschlag der Deutschen Kinderhilfe, die
Beschneidung in ein späteres Alter zu verlegen, nicht einmal
ernsthaft diskutiert. Stattdessen pochen Juden und Muslime stur auf
die Religionsfreiheit. Die kann aber nicht über unseren Strafgesetzen
stehen, denn dann müssten wir auch Mörder laufenlassen, die sich auf
die Scharia berufen. Mit solchen Überlegungen belastet sich
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) nicht. Er nennt einen Staat, in
dem Babys beschnitten werden, tolerant und weltoffen. Hier von
Toleranz zu sprechen, grenzt allerdings an Zynismus. Denn der
einzige, der etwas toleriert, also hinnimmt oder erträgt, ist das
Baby. Westerwelle ist nur ein Beispiel. Politiker aller Parteien mit
Ausnahme der Linken haben versichert, Beschneidung müsse in
Deutschland möglich bleiben – ein populistisches Bekenntnis, das
gestern in eine Bundestagsresolution mündete, die ein Gesetz zur
Zulässigkeit der Beschneidung fordert. Erfreulich, dass neben Linken
auch etliche Grüne nicht mitzogen, weil sie keine Hau-Ruck-Lösung
wollen. Die schnelle Lösung, mit der wieder Ruhe in Deutschland
einkehren soll, ist nicht in Sicht. So einfach lassen sich
Religionsfreiheit und Kinderverstümmelung nun mal nicht unter einen
Hut bringen. Völlig abwegig ist da auch der Vorschlag aus der CSU,
Beschneidungen analog zu Abtreibungen zwar zu verbieten, sie aber
nicht zu verfolgen. Sollte trotzdem ein entsprechendes Gesetz
durchgepeitscht werden, bleibt den Kindern allerdings nur noch die
Hoffnung auf das Bundesverfassungsgericht. Das muss die Politiker ja
immer häufiger an das Grundgesetz erinnern.

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261