Mit großer Energie und noch größerem Tempo hat
die Bundesregierung in den Wochen nach der Katastrophe von Fukushima
die Entscheidung zur Energiewende betrieben. 14 Monate sind seit dem
Beschluss des Atomausstiegs vergangen. In zehn Jahren sollen die
letzten Atommeiler vom Netz gehen. Doch mit jedem Tag wachsen die
Zweifel an der Umsetzung: Viel Stückwerk statt eines stimmigen
Konzepts, das ist der vorherrschende Eindruck. Daran hat auch die
zwischenzeitliche Ablösung Norbert Röttgens durch Peter Altmaier als
Bundesumweltminister nichts geändert. Merkels Personalrochade ist
bislang wirkungslos verpufft. Viele Probleme, noch mehr Worte, wenige
Taten und für den Privatkunden steigende Strompreise. So kommt die
Energiewende derzeit bei den meisten an. Die Stimmung in der
Bevölkerung droht umzuschlagen. Auch deshalb ist es wohl treffend,
wenn Wirtschaftsminister Philipp Rösler die Energiewende als »Aufgabe
von historischer Dimension« und das wichtigste Thema neben der
Euro-Krise bezeichnet. Längst ist nicht mehr nur den direkt
Beteiligten klar, dass vorzeigbare Fortschritte schnellstens her
müssen. Diese beschränken sich bislang auf die Energie aus
erneuerbaren Quellen. Im ersten Halbjahr machte Ökostrom erstmals
mehr als 25 Prozent am deutschen Strommix aus. Das von der
Bundesregierung für 2020 angestrebte Zwischenziel von 35 Prozent
scheint damit mehr als realistisch. Doch der Boom, besonders auch bei
Sonnenstromanlagen, hat eben seine Schattenseiten. Spekuliert wird
bereits über einen Anstieg der EEG-Umlage für Stromkunden zum
kommenden Jahr um fast zwei Cent je Kilowattstunde. Hinzu kommen
mögliche finanzielle Risiken aus dem verzögerten Anschluss von
Windparks auf hoher See. Das ist gerade in einem Bundestagswahljahr
alles andere als populär. Daran ändern auch volkswirtschaftliche
Betrachtungen nichts, denen zufolge erneuerbare Energie angesichts
hoher Sonderkosten bei fossiler und atomarer ein Gewinn ist. Die
einzig transparente Stromrechnung erhält der Bürger von seinem
Versorger. Und da fällt einmal mehr auf, dass der Staat mit einer
Steuer- und Abgabenquote von etwa 46 Prozent der größte Preistreiber
und Umverteiler ist. Was bleibt, sind viele Fragen: Warum kommen die
deutlich gesunkenen Preise an der Strombörse nicht bei den
Privatkunden an? Wie will die Politik hunderttausenden
Mittelständlern und Millionen Bürgern die Bevorzugung weniger
Großverbraucher zu ihren Lasten weiterhin erklären? Und welche Rolle
sieht sie eigentlich für Stromspeicher vor, die als wichtiger
Baustein der Energiewende und entlastende Komponente für die
Stromnetze gelten? Jetzt zählen Antworten – und vor allem Taten. Die
Förderung der Erneuerbaren war für den Einstieg richtig. Mindestens
so wichtig ist jetzt aber deren konsequente Weiterentwicklung zu
einem wettbewerbsfähigen Element des Energiemarktes.
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