Entsetzen. Kopfschütteln. Ratlosigkeit. Der
Ausgang der Wahl in Griechenland könnte die Einheit Europas ins
Wanken bringen. Die beiden großen gemäßigten Parteien Neue Demokratie
(ND) und Pasok haben zusammen mehr als die Hälfte der Wählerstimmen
verloren. Radikale Kräfte am linken und rechten Rand gehen gestärkt
aus dem Votum hervor. Es ist das Ergebnis einer Wutwahl. Jobverluste,
Steuererhöhungen, Rentenkürzungen, immer wieder neue Sparappelle und
nicht zuletzt das so manchen Griechen verletzende Diktat aus Berlin,
Brüssel und Paris haben die Hellenen zermürbt, ihre Ehre gekränkt.
Nun sind die Machtverhältnisse in Athen völlig unklar. Was kommt auf
den Rest Europas zu? Tritt Athen jetzt aus dem Euro aus? Bricht dann
womöglich das griechische Bankensystem zusammen? Sieht die
europäische Staatengemeinschaft ihre Milliarden Euro, mit denen sie
die Rettungspakete füllte, nie wieder? Sind die deutschen
Steuerzahler die Dummen? In Berlin und Brüssel war gestern das
Bemühen groß, nur keine Panik aufkommen zu lassen. Die EU beeilte
sich, daran zu erinnern, Athen möge doch den strikten Sparkurs weiter
einhalten. Ein Appell! Mehr nicht. Niemand weiß, was wirklich kommt.
Das Wahlergebnis werfe »viele Fragezeichen auf«, meinte auch der
sonst nie um eine Antwort verlegene Bundesaußenminister Guido
Westerwelle (FDP). Derweil sieht der Wirtschaftsweise Peter Bofinger
auch mit Blick auf die Abwahl Nicolas Sarkozys in Frankreich bereits
Angela Merkels Antikrisenstrategie in der Eurofrage gescheitert. Fakt
ist: Wenn das Bemühen um eine einvernehmliche Politik innerhalb der
EU schon bisher äußerst komplex war, gleicht sie nun zunehmend einer
Quadratur des Kreises. Zu unterschiedlich sind die Interessen der 17
EU-Mitgliedsländer. In Athen hat der Chef des Bündnisses der
Radikalen Linken, Alexis Tsipras (39), jedenfalls betont: »Die
Unterschriften, die andere gesetzt haben, zählen nicht mehr.« Noch
ist nicht klar, ob Tsipras am Ende tatsächlich
Regierungsverantwortung trägt. Wenn sich aber radikale Kräfte
durchsetzen sollten und das Spardiktat von EU, Europäischer
Zentralbank und Internationalem Währungsfonds aufkündigten, würde
sich Griechenland selbst den Geldhahn zudrehen. Dann bliebe dem Land
nur der Austritt aus der Währungsgemeinschaft und die Rückkehr zur
Drachme. Genau das aber wollen 77 Prozent der Griechen nicht.
Andererseits stimmten sie bei der Wahl für jene Parteien, die nicht
wollen, dass Griechenland seine Schulden tilgt. Verfahrener könnte
die Situation kaum sein. Wenn bis zum 17. Mai keine Regierung
gebildet werden kann, werden Neuwahlen angesetzt. Doch soviel Zeit
hat Athen nicht. Schon im Juni entscheiden EU, EZB und IWF über die
nächste Milliarden-Tranche. Die europäische Gemeinschaft steht vor
einer harten Bewährungsprobe.
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