Respekt vor dem Wähler in Sachsen-Anhalt. Er hat
sich nicht beirren lassen, stärker beteiligt und sehr wohl
verstanden, dass es um sein Land an der Elbe ging. Bundes- und
weltpolitische Ablenkung gab es schließlich zur Genüge. Das
Guttenberg-Desaster, vor allem aber die resoluten Richtungswechsel
der Bürgerlichen in der Atom- und Libyenpolitik haben – wenn
überhaupt – nur den Liberalen, nicht aber der Union geschadet. Angela
Merkel kann ein Stück gelassener auf die Wahlen in Baden-Württemberg
und Rheinland-Pfalz blicken – sofern die Grünen in Stuttgart nicht
stärkste Kraft werden. Der lange Siegeszug der Liberalen bei
Landtagswahlen ist endgültig vorbei. Die Grünen haben auch hier den
Platzwechsel vollzogen. Bundespolitisch haben die Grünen seit Ende
2009 Oberwasser, Sachsen-Anhalt hat diesen Höhenflug – nach
zwischenzeitlichen Schwächen – wieder bestätigt. Es steht zu
vermuten, dass die Grünen – auch ohne Japan – den Sprung über die
Fünf-Prozent-Hürde geschafft hätten. Bei der SPD geht das Rätselraten
weiter. Ob Sigmar Gabriels nassforsches Themen-Hopping oder
Frank-Walter Steinmeiers Linie der Vernunft: bundespolitisch tritt
die Sozialdemokratie auf der Stelle. Landespolitisch hat
Spitzenkandidat Jens Bullerjahn fast alles richtig gemacht, dennoch
konnte er die Linkspartei nicht überholen und bleibt nur Vormann der
dritten Kraft im Magdeburger Landtag. Mehr noch als die CDU hat die
SPD die Nachteile einer Großen Koalition zu spüren bekommen.
Immerhin: Der das Gesamtergebnis von gestern tragende Wählerwunsch
nach der Fortführung der CDU-SPD-Koalition wird in Erfüllung gehen.
Seit 1990 hat dieses Land durch Wahlen immer wieder andere
Regierungen erlebt, jetzt wurde erstmals ein Bündnis bestätigt. Fast
vergessen: Die Duldung einer SPD-getragenen Regierung durch
Linksaußen, wie wir sie derzeit in NRW erleben, ist an der Elbe 1994
schon einmal versucht worden – mit katastrophalen Folgen für das
Land. Respekt auch vor SPD-Chef Bullerjahn, der sein Wort halten
will, nicht mit der Linken zu koalieren – allerdings nur, weil sie
stärker als die SPD geblieben ist. Stünde er nicht dazu, drohte ihm
das Ypsilanti-Schicksal. Die Linkspartei ist mit ihrem zweitstärksten
Ergebnis in der Geschichte Sachsen-Anhalts immer noch erschreckend
populär. Streng genommen müsste man ihr die knapp fünf Prozent der
NPD zurechnen. Beide Parteien stehen für blindwütige Opposition und
versprechen insbesondere weniger kompetenten Wählern das Blaue vom
Himmel. Das in beiden Gruppen versammelte Hass- und Neidpotenzial
muss den demokratischen Parteien zu denken geben. Auch das spricht
dafür, solide Wirtschaftspolitik und sozial gerechten Wandel mit
Augenmaß nach dem Rückzug von Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU)
fortzuführen.
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