Bei unklarer Faktenlage gedeihen
Verschwörungstheorien. Ihre Anhänger glauben nicht an Zufälle (schon
wieder Malaysia Airlines, schon wieder Boeing 777?) und fragen nach
Profiteuren. Tatsächlich ist derzeit kaum zu beurteilen, ob angeblich
abgefangene Separatisten-Funksprüche Beweise, Indizien oder nur
Puzzlestücke im Propaganda-Krieg darstellen. Die wahrscheinlichste
Version scheint aber zu sein: Die anti-ukrainischen Kämpfer wollten
eine Militärmaschine abschießen und trafen versehentlich ein ziviles
Flugzeug.
Das hebt den bisherigen Regionalkonflikt auf eine neue
Eskalations-Ebene, die den Strippenziehern im Kreml kaum gefallen
dürfte. Wer den prorussischen Milizen ihren Krieg gegen die Ukraine
ermöglicht, wird die volle Macht westlicher Sanktionen zu spüren
bekommen, sobald die Beweiskette geschlossen ist. Putin muss sich
fragen, ob er nicht Kräfte heraufbeschworen hat, die seiner Kontrolle
entwachsen sind.
Das optimistische Szenario möglicher Konsequenzen wäre dieses:
Europa und die USA treten geschlossen gegenüber Moskau auf und machen
zugleich der Regierung in Kiew klar, dass sie der russisch-sprachigen
Bevölkerung im Osten Angebote machen muss. Russland entzieht – dank
des Terrors ohne maximalen Gesichtsverlust – den Separatisten die
Unterstützung, worauf diese aufgeben, weil Waffennachschub fehlt und
die Bevölkerungsmehrheit sowieso nicht hinter ihnen steht.
Ein weiteres Aufschaukeln des Konflikts ist jedoch gleichermaßen
möglich. Putin könnte stur bleiben, die Nato sich zu direkter
Unterstützung Kiews entschließen. Nur ein Weiter-so kann es nicht
mehr geben. Der Tod der 298 Unbeteiligten ist ein Wendepunkt – so
oder so.
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