Westfalenpost: Europa muss sichöffnen Von Joachim Karpa

Wir sind so satt. Wir beklagen Übergewicht. Wir
werfen tausende Tonnen Lebensmittel weg. Wir gehören auf dem
Globus zu den Reichen. Zu den guten Nachrichten gehören die
schlechten: Alle zehn Sekunden stirbt ein Kind unter fünf Jahren. Es
verhungert. Bundespräsident Joachim Gauck hat gestern Abend zum
Auftakt der Woche der Welthungerhilfe daran erinnert und dazu
aufgefordert, in den Bemühungen gegen Hunger und Armut nicht
nachzulassen. Das ist der Zeitpunkt, an dem die Bilder der Toten vor
der Küste Lampedusas lebendig werden. Wie gehen wir mit den
Flüchtlingen aus Afrika um, die sich auf den Weg machen, weil sie von
einem besseren Leben für sich und ihre Familie träumen, weil sie
ihrem Elend entkommen wollen?

Wir lassen die Menschen ertrinken. Den Fischern in Italien, die
sie retten wollen, drohen wahlweise 5000 Euro Geldstrafe oder 18
Monate Haft. Posthum erhalten die Toten die italienische
Staatsbürgerschaft. Wer aber überlebt, muss mit einem Strafverfahren
wegen illegaler Einreise rechnen. Zynischer kann Politik nicht sein.
Was macht die EU? Sie streitet um Zahlen und Quoten bei der
Aufteilung der Asylsuchenden. Und das EU-Parlament beschließt ein 240
Millionen Euro teures Überwachungssystem, das mit Satellitenaufnahmen
und Drohnen überladene Boote im Mittelmeer orten soll. Um zu helfen?
Menschenrechtler bezweifeln dies.

Die Abschottung Europas erhöht die Risiken der Reise, fordert mehr
Opfer und baut die Geschäftsgrundlage für Schleuser aus. Wenn uns das
Leben der Flüchtlinge mehr wert ist als der Preis eines
Leichensackes, wie es ein Kommentator formuliert, ist es höchste
Zeit, eine geregelte legale Zuwanderung zu ermöglichen – um der
Menschen willen.

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