Das Erschrecken ist immer da, wenn wir diese
Geschichten hören von Menschen, die Wochen, Monate, Jahre tot in der
Wohnung lagen, ohne dass sie vermisst wurden, ohne dass ein Nachbar
etwas gemerkt hat. Die Fälle häufen sich. Weil mehr Menschen in
unserer kinderarmen Gesellschaft ohne Familie sind. Weil Job- und
Wohnungswechsel Beziehungslosigkeit fördern. Weil ein wachsender
Bevölkerungsanteil in der Stadt lebt. Vielleicht gerade wegen der –
in Fällen wie dem aktuellen in Hagen beklagten – Anonymität. Nicht
jeder sucht das tägliche Gespräch mit Leuten, die zufällig nebenan
wohnen und freut sich über soziale Kontrolle. Dass sich immer mehr
Dinge ohne direkten menschlichen Kontakt erledigen lassen, hat Vor-
wie Nachteile. Der einsame Tod ist einer der vielen Preise, die wir
für die mehrheitlich gewünschte Individualisierung zahlen. Der
Appell, öfter mal nach dem Nachbarn zu schauen, ist naheliegend,
moralisch wertvoll, aber erfahrungsgemäß weitgehend wirkungslos. Weil
das meist gerade dort nicht funktioniert, wo es besonders nötig wäre.
Für ein bisschen Nachbarschaft als Kann-Angebot, für ein freiwilliges
Stück Dorf in der Hochhaussiedlung braucht es auch ein wenig
Organisation. Darum muss sich nicht zwingend der Staat kümmern. Weil
es nicht nur einsame Kranke gibt, sondern viele rüstige Rentner, die
für die Zivilgesellschaft noch viel leisten können. Und wollen. So
unterschiedlich Menschen auch leben: Die wenigsten sind gerne allein.
Nicht in der Wohnung, aber auch nicht im Krankenhaus und nicht im
Altenheim.
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