Westfalenpost: Kommentar zu Islamkonferenz /Therapiesitzung Islam Konferenz/ Von Winfried Dolderer

Zwangsehen und häusliche Gewalt sind schlimme
Sachen. Wer hätte das gedacht, wenn es die Islamkonferenz nicht
beschlossen hätte?Jeder in der Mitte unserer Gesellschaft lebende
Moslem wird sich durch diese Feststellung unter Pauschalverdacht
gestellt fühlen. Kein orientalischer Patriarch sich beeindrucken
lassen. Natürlich ist es ein Leichtes, mit dem Hinweis auf solche
Binsenwahrheiten die ganze Konferenz als Humbug abzutun. Dabei würde
aber verkannt, dass ihr eigentlicher Zweck ein anderer ist. Er
besteht in der Beschwichtigung allseits vorhandener Ängste. Wie
massiv und rasch zu mobilisieren sie sind, offenbarten jetzt wieder
die politischen und medialen Panikattacken angesichts Bücher
verteilender Salafisten. Daraus erklären sich auch viele Dispute im
Vorfeld. Oft geht es um die Frage, die Ängste welcher Seite jeweils
vorrangig zu behandeln sind. Gestern wollten deutsche Innenpolitiker
über die Salafisten reden. Islamische Teilnehmer lieber über die
Mordtaten deutscher Neonazis. Fremdheit erzeugt Angst. Durch Gespräch
das Fremde vertraut zu machen, ist der tiefere Zweck der Konferenz
und ihrer Rituale. Diesem therapeutischen Anliegen läuft es zuwider,
wenn der Unions-Fraktionschef Ängste schürt, indem er die
überflüssigste Debatte der deutschen Gegenwart wiederbelebt: Gehört
der Islam zu Deutschland? Gegenfrage: Gibt es „den Islam“ überhaupt?
Oder nicht vielmehr deutsche Bürger islamischen Glaubens, die als
solche natürlich zu Deutschland gehören? Niemand bestreitet das.
Alles übrige sind Fragen für Kulturhistoriker.

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