Nichts ist gut in Afghanistan. Ein geflügeltes Wort
einer Protestantin – eine Übertreibung? Neuerdings häufen sich wieder
die Hiobsbotschaften, die den arg vereinfachenden Satz doch nicht
ganz abwegig erscheinen lassen. Zuletzt der Amoklauf eines womöglich
traumatisierten US-Soldaten. Zuvor blutige Wirren nach einer
„Koranverbrennung“, die unter anderem den fluchtartigen Rückzug der
Bundeswehr aus einem Außenposten zur Folge hatten: Auch die Kanzlerin
bekennt sich zu ihren Zweifeln. Ob der versprochene Abzugstermin 2014
einzuhalten sei, das lässt sich nach ihren Worten „noch nicht sagen“.
Die Deutschen halten sich im Bewusstsein nobler Absichten am
Hindukusch auf. Der Einsatz der Bundeswehr ist kein
Eroberungsfeldzug: Dem designierten Bundespräsidenten Gauck ist
dieses Argument wichtig genug, um ihn allein deswegen nicht zu
verurteilen. Die Epoche des klassischen Imperialismus ist allerdings
auch lange vorbei. Freilich war schon jener Imperialismus mehr als
ein nacktes Eroberungsprogramm. Immer berief er sich auch auf eine
zivilisatorische Mission: Das Licht der Aufklärung in dunkle
Weltecken tragen – kommt uns das bekannt vor? Vor drei Jahrzehnten
waren es die Sowjets, die als Zivilisatoren blutig scheiterten. Ihr
Projekt eines säkulären Systems, so wenig es mit Demokratie zu tun
hatte, stand westlichen Fortschrittsbegriffen näher als die
überkommene Stammesgesellschaft. Es hat aber Afghanistan erst in den
Gewaltstrudel gestürzt, der bis heute nicht zur Ruhe kommen will. Die
Nato-Alliierten haben es denn auch bescheidener angelegt. Es geht
nicht darum, die afghanische Gesellschaft umzukrempeln. Sondern
lediglich, Stabilität zu schaffen und einigen fundamentalen
Menschenrechten zur Geltung zu verhelfen. Viele Afghanen, die sich
Fortschritt und Freiheit wünschen, hat der Westen dabei gewiss auf
seiner Seite. Sie womöglich im Stich zu lassen, ist die
Gewissensfrage, die jede Abzugsdebatte belastet. Andererseits. Mehr
als eine prekäre Stabilität war in dieser zerklüfteten Gesellschaft
in zehn Jahren nie zu erreichen. Dass es in den nächsten zwei Jahren
gelingt – wer wollte daran nicht zweifeln?
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