Jürgen Großmann geht – und hinterlässt, nun ja,
keinen Sanierungsfall, wie der scheidende Vorsitzende gestern korrekt
anmerkte, aber doch eine Baustelle. Der Energieriese RWE hat ja nicht
nur einen Gewinneinbruch um fast die Hälfte erlitten und einen
ordentlichen Schuldenberg angehäuft. RWE steckt inmitten einer
Energiewende, die der Konzern allzu lange verschlafen hat. Finanziell
blieb das eine Zeit lang folgenlos, inzwischen aber macht sich das
Zögern und Zaudern bei den Erneuerbaren in der RWE-Bilanz bemerkbar.
Großmann war und ist der Atom-Dino der Branche, der eifrigste
Klapperer für seine und die anderen deutschen Kernkraftwerke. Damit
hatte er kurzfristig Erfolg (Laufzeitverlängerung), bis ihm die
Atomkatastrophe von Fukushima einen Strich durch die gewinnträchtige
Rechnung machte. Großmann trommelte unbeirrt weiter für die
Atomkraft, diesmal erfolglos. Sein Nachfolger Peter Terium geht mit
dem Atomthema pragmatischer um: Neue AKW will der Holländer nur
bauen, sofern es sich rechnet. Und das tut es derzeit nicht,
jedenfalls nicht unter marktwirtschaftlichen Bedingungen. Das hatte
und hat die Atomkraft gemein mit vielen erneuerbaren Energien. Aber
hier greift der Staat ein, und deshalb lässt sich mit Erneuerbaren
Geld verdienen. Was viele Stadtwerke längst begriffen haben, RWE eher
nicht. Jetzt wollen die Essener in großem Stil in die
Offshore-Windkraft einsteigen. Energiepolitisch ist das sinnvoll,
Offshore-Strom gilt als grundlastfähig, fast immer bläst Wind. Ironie
der Geschichte: Für die Stromkunden ist die Windenergie vom Meer
inzwischen eine teure Angelegenheit – sie kostet mehr als Solarstrom
aus Großanlagen. Das Kern-Problem des Energieriesen RWE bleibt damit
bestehen: Er kann Großkraftwerke, dezentrale Stromerzeugung ist nicht
sein Ding, im Gegenteil. Die vielen Solardächer haben RWE das
Geschäft zuletzt richtig vermiest, dem Konzern Marktanteile genommen,
dazu die Preise kaputt gemacht. Die Solarförderkürzung kommt den
Versorgern (auch Eon) deshalb zupass. Ob damit der Trend zu
dezentralen Kraftwerken gestoppt wird, ist fraglich. Für RWE heißt
das: Der Konzern muss seine Rolle nach der Energiewende erst noch
finden. Es bleibt unruhig in Essen.
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