Nein, die Nobelpreis-Ehre war dem Bauernsohn und
späteren Befreiungsarmisten Mo Yan wahrlich nicht in die
Provinz-Wiege gelegt. Und dass er sich den Künstlernamen „Der
Sprachlose“ gegeben hat, ist in der langen Geschichte dieser
weltbedeutendsten Literaturauszeichnung wohl auch einzigartig. In
seiner Erzählung „Der durchsichtige rote Rettich“ schrieb Mo Yan
1986: „Die Sonne scheint heute besonders prächtig. Selbst in den
hintersten Winkeln des dunklen Gewölbes dringen ihre Strahlen. Ihr
Widerschein lässt alles im Raum erstrahlen.“ Die Worte lesen sich
heute wie eine phantasievolle Vision des jungen chinesischen
Schriftstellers von einem fernen Erfolg, den er – und sein Land –
heute tatsächlich errungen haben. „Nun auch noch der
Literaturnobelpreis“, mögen chinakritische Beobachter murren, doch in
Literaturkreisen gilt die Auszeichnung keineswegs als unverdient. Mo
Yans magischer Realismus ist gut lesbare Literatur, die modernes
Schreiben mit traditionellem Denken poesievoll verbindet. Nicht
völlig unkritisch gegenüber der Gegenwart, aber doch ohne jedes
rebellische Aufbegehren formuliert Mo Yan seine Texte. Vielleicht ist
am Ende sogar der sanfte Weg zur Veränderung erfolgreicher als der
ungestüme Streit. Wir werden es lesen.
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