Westfalenpost: Verständigung und Verstand Von Stefan Hans Kläsener

Der Feind meines Feindes ist mein Freund. So lautet
eine ungeschriebene Regel im Nahen Osten. Nun plötzlich bekommt sie
wieder einmal ungeahnte politische Bedeutung: Der Iran kann sich eine
Zusammenarbeit mit den USA, dem Erzfeind seit Ajatollah Khomeinis
Zeiten, vorstellen, sollten die USA sich zum Schutz der Schiiten
gegen die vorrückenden sunnitischen Isis-Milizen durchringen. Noch
fehlen belegbare Taten für eine solche Unterstützung der irakischen
Regierung, aber es ist mehr als bemerkenswert, welche neuen Töne aus
Teheran unter dem als moderat geltenden Präsidenten Rohani in
Richtung Washington gesendet werden.

Zugleich rafft sich die irakische Regierung zu einem Gegenschlag
auf – angeführt von der schiitischen Geistlichkeit. Das sollte mit
aller Vorsicht bewertet werden, denn die Verknüpfung von geistlicher
und militärischer Macht hat im Iran, im Irak, aber auch im Libanon zu
Regimen geführt, die mit Menschenrechten nach westlichem Verständnis
nichts am Hut hatten. Dennoch ist diese Bewegung ein
Hoffnungszeichen, denn die Verteufelung westlicher Werte, die für die
Ajatollahs ein Synonym für Dekadenz und Sittenverfall sind, könnte
ein Ende haben. Auch wenn der Westen viele Mechanismen in den
islamischen Gesellschaften des Nahen Ostens nicht versteht, so kann
er doch ein verständiger Unterstützer werden. Die Menschen dort
hätten es verdient.

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